Das Programm und seine Erscheinungsformen

Gunther Skreiner hat rund eineinhalb Jahrzehnte ab den frühen Neunzehnhundertneunzigerjahren aus weiteren beruflichen Gründen die Kunst ruhend gestellt. Seit knapp zehn Jahren setzt er dort fort, wo er seinerzeit unterbrochen hat. Das kann ihm nur deshalb erfolgreich gelingen, weil er ein und dasselbe System, das er in den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelte und nach einer professionellen Programmierung, wiederaufgriff und heute nach wie vor verwendet. Dieser vielleicht etwas trockene Einstieg in ein – ich will es so bezeichnen – künstlerisches Universum ist deshalb notwendig, um die spezifische Positionierung von Kunst als subjektiv erdachtes, professionell geschriebenes und außer Haus in den unterschiedlichsten Dimensionen eines Bildträgers umgesetzte Programm einigermaßen überzeugend bewerten zu können. Entscheidend an diesem Zugang zur künstlerischen Arbeit ist, dass die entwickelte Grundstruktur es erlaubt, die unterschiedlichsten Erscheinungsformen herzustellen. Damit verschiebt sich der auf der Rezeptionsebene gewohnt festgeschriebene Zugang zum Kunstwerk, verschiebt sich auch in zahlreichen Beispielen der Begriff des Originals. Einerseits hat Skreiner sowohl mit Linien als auch mit kräftigen Farben aus den malereitypischen Töpfen gearbeitet, andererseits übergibt er seine Systemkonstruktionen den Druckereien.

Grundsätzlich ist das System hermetisch, nicht von Mal zu Mal abänderbar, zur gleichen Zeit kann es mit verschiedenartigen Formen dargestellt werden. Von den hier gezeigten aktuellen, bisher noch nicht veröffentlichten Arbeiten ausgehend, handelt es sich um mehrschichtige abstrakte Motive, bei denen zahlreiche Entscheidungen zusammentreffen. Durch die nicht gerade üppige Skalierung muss die Betrachtung stufenweise entwickelt werden. Nach den Farbreizen drängt sich die Struktur auf, zugleich müssen die punkt-, also pixelförmigen Rasterungen genau unter die Lupe genommen werden. Zwischen fließenden und genau abgegrenzten Übergängen entsteht Spannung, tauchen mehrere Variationen in Form von farbiger und struktureller Dichte und deren Verhältnis zu leeren Flächen auf. Es gibt ein Programm, das „gefüllt“ wird. Die letzte große Serie, die auch heute noch aktiv ist, war und ist den short stories gewidmet. Diese unterscheiden sich – auch wenn die im Hintergrund stehenden Entscheidungen ganz die gleichen bleiben – drastisch von der hier präsentierten Arbeit, da sie Abbilder aus den verschiedensten Kategorien ins Spiel bringen, von Logos bis hin zu Porträts aus divergierenden Kulturkreisen. Freilich handelt es sich dabei nicht um eine Bilderrallye, wohl aber um die Möglichkeit und Notwendigkeit für das Publikum, seine aus dem Angebot genommenen eigenen Geschichten auszufiltern.

Eine der wesentlichsten Komponenten, die auch auf der kunsttheoretischen Ebene zu Buche schlagen, besteht in der Schaffung eines scheinbar endlosen Raumsystems, das sich nicht in der Spekulation über den emotional ausgerichteten Grad endloser Weite verliert. Im Gegensatz dazu beziehen nicht nur die sich überlagernden Formen ihre errechneten Positionen, sondern auch jene Pixel, die „leer“ den Zwischenraum aktivieren. Mit dem landläufigen Begriff der Computerkunst kommen wir den Bildern nicht bei. Der analytische Ansatz stellt eine Basis zur Verfügung, auf der Kompositionsprinzipien grundsätzlich thematisiert und Untersuchungen von Durchdringungs- und Überschneidungsproblemen angestellt werden. Thema und Gestaltung, zwei grundlegende und immer wieder kommentierte Vokabeln im künstlerischen Arbeitsbereich, werden einer Objektivierung unterzogen und spiegeln zugleich sowohl modulhafte Denkweisen als auch Realisierungsformen in der wissenschaftlichen Theorie und der forcierten Alltagspraxis wider.

Werner Fenz

Lichtungen: 2014, Nr. 140): Gunther Skreiner