Dieter Bogner,
4.3.1990
Der Griff zur Leinwand oder zum Zeichenblatt birgt in
sich bereits eine Reihe grundsätzlicher struktureller
Entscheidungen, die als elementare Vorgaben alle weiteren
künstlerischen Schritte beeinflussen. Das Format und die durch das Material
bestimmte
Textur des gewählten Bildträgers gehören zu diesen grundlegenden Einflußgrößen. Gunther Skreiner engt diese traditionellen
Rahmenbedingungen des
Malers noch weiter ein, indem er das Bildgeviert durch
ein bereits in den siebziger Jahren
entwickeltes und seither konsequent angewandtes,
formatbezogenes Teilungssystem strukturiert.
Der daraus
resultierende lineare
Raster dient dem Künstler als komplexes Aktionsfeld. Die
fest gefügte Gesetzmäßigkeit dieses Feldes bestimmt die Grenzen für
die Freiheit und Variabilität der künstlerischen Bildphantasie, wirkt also als ein selbstgeschaffener
Reibungsfaktor. Dieser kann
im vorliegenden Fall stellvertretend für die in der älteren Kunst durch konkrete Aufgabenstellungen von außen an den Künstler
herangetragenen Vorgaben und Einschränkungen interpretiert werden.
Bezogen auf den gleichbleibenden Hintergrund des einmal
gewählten Strukturfeldes hat Skreiner im letzten Jahrzehnt die
unterschiedlichsten Formulierungen entwickelt. Dabei
reagierte der Künstler
auf spezifische Erscheinungen in dem
sich beständig
wandelnden künstlerischen Umfeld der achtziger Jahre.
Seine Bildthemen reichen von linearen
Strukturen über monochrome, die
Textur betonenden
Bildern zu expressiven und pastos gemalten Farbereignissen bis zu einem aus
zeichenhaften Kürzeln gebildeten
optisch vibrierenden Linien-Geflecht. Aufbauend auf
dieser vor einigen Jahren als Siebdruckserie exemplarisch dokumentierten
Ausformung, ist die nunmehr vorliegende Zeichnungsfolge
entstanden. Die in den Graphiken verwendeten linearen
Konfigurationen haben nunmehr „Fleisch“ angesetzt, sind
weniger abstrakt und doch nicht gegenständlich, denn sie weisen nur
einzelne Aspekte von Gegenständlichkeit und einige
Anzeichen von Individualität auf. Skreiner setzt in dieser Serie auf die
menschliche Phantasie. Die auf dem Weg der Assoziation in
komplexe Formen die unterschiedlichsten Dinge hineinsieht. Nicht
die vibrierende Form- und Farbbewegung der vorausgehenden
Graphikfolge bestimmt die Bildwirkung, sondern es entsteht der
Eindruck eines Geschehens, einer bunten erzählerischen,
ja witzig-humoristischen Handlung. Das dafür eingesetzte Vokabular
ist klein. Indem Skreiner aber die einzelnen Elemente
nicht mechanisch vervielfältigt, sondern jedes einzelne individuell
zeichnet, unterscheiden sie sich untereinander in vielen
Details wodurch der Eindruck einer großen Vielfalt und Lebendigkeit
entsteht.
Ein Blick auf die seit
den späten siebziger Jahren entstandenen Werkgruppen zeigt den Wandel von einer
absolut gesetzten linearen
Flächenstruktur, deren spröder Charakter das sinnliche
Element weitestgehend ausschließt, zur Dominanz der sinnlichen Gestaltung
und von dort zu einer quasi-gegenständlichen Komposition.
Der Abstraktionsprozeß der klassischen Moderne wurde
in den achtziger
Jahren umgekehrt, doch endet er nicht in der Rückkehr zum
traditionellen Bilddenken. sondern in dessen konzeptioneller
Simulation. Die Spannung zwischen dem Allgemeinen der
Struktur und dem Individuellen im subjektiven Prozeß
der Durchführung,
steht in allen diese Phasen im Hintergrund des
bildnerischen Denkens Gunther Skreiner.